A propos "Wettbewerb
hieß früher, daß man eine Wahl hat": Vor vielen Jahren konnte man beim Kauf einer Bahncard ankreuzen, ob man eine automatische Verlängerung wünscht oder nicht. Dann kam der harte Wind des Wettbewerbs, der dazu führte, daß die Bahn heute ein weltweit führender Logistik-Dienstleister sein möchte statt eine popelige Einrichtung, die dem lächerlichen Zweck dient, Leute von A nach B zu transportieren. Zu den unglaublichen Vorteilen, die eine marktwirtschaftlich entfesselte Bahn dem Kunden bringt, gehört auch, daß man sich nicht mehr gegen eine automatische Bahncard-Verlängerung entscheiden kann, sondern gleich ein Zwangsabonnement nehmen muß. Das könne man aber gleich wieder kündigen, ganz problemlos, wurde mir vor ungefähr einem Jahr beschieden, allerdings erst nach Erhalt der Bahncard, ich müsse nur die Hotline für 14 Cent pro Minute anrufen. Auf Nachfrage wurde mir sogar ein kostenloser Weg eröffnet: einfach ein formloses Schreiben am Fahrkartenschalter abgeben, alles kein Problem. Nach so vielen Beteuerungen absoluter Problemlosigkeit war ich nicht besonders überrascht, vor anderthalb Wochen meine automatisch verlängerte Bahncard im Briefkasten vorzufinden.
Es war klar: An irgendeinem Punkt erwischt dich die kostenpflichtige Hotline doch. Ungefähr drei Mark später (inkl. 42 Cent für drei automatische Ansagen, das System sei überlastet) erfuhr ich, mein Schreiben läge durchaus vor, es könne jedoch sein, daß bei einer Systemumstellung im März ein Fehler usw. usf. Ich müsse nur die Bahncard zurückschicken, ganz problemlos, und selbstverständlich würde ich eine Bestätigung erhalten. Auf die warte ich nun seit einer Woche, während der ich regelmäßig zur Bank renne, um zu sehen, ob unterdessen die Gebühr für die Bahncard, die ich nicht wollte und die ich nicht einmal mehr habe, ganz problemlos abgebucht worden ist.
Was ich an der ganzen Angelegenheit bemerkenswert finde: Wie die Kundenfeindlichkeit, die man aus der Telekommunikationsbranche kennt und die dort "branchenüblich" ist: Verträge, aus denen man nicht mehr ohne größeren Aufwand herauskommt, unerklärliche Fehler in der Datenverarbeitung, die sich nur mit Hilfe überteuerter Hotlines lösen lassen, Kleingedrucktes, das auf
maximale Unleserlichkeit hin optimiert ist, wie das alles langsam wirtschaftsüblich wird – und wie man sich schon daran gewöhnt hat.
Wer sichergehen will, daß er als Kunde bekommt, was er möchte, und nur das, wird über kurz oder lang nur noch Geschäftsbeziehungen eingehen können zu Menschen, die er persönlich kennt, Menschen, die einen beraten können ohne Sternchen hinter jedem Satz, die auf kleingedruckte Haken verweisen, Menschen, mit denen man sprechen kann, ohne daß der Gebührenzähler mitläuft, Menschen, bei denen man zur Not auch reklamieren kann, ohne auf das Funktionieren eines Computersystems und die Sachkenntnis des "nächsten freien Mitarbeiters" vertrauen zu müssen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Denn das sind genau die Menschen, die ihren Laden in naher Zukunft aufgeben müssen, weil der Wettbewerb sie plattmacht. Dir bleibt die Alternative, dich entweder von dem einen oder dem anderen Großkonzern über den Tisch ziehen zu lassen. Immerhin: Du hast die Wahl.
Abgelegt unter: Agitprop
30.11.2007, 23:24 • Link • Kommentieren