Sieht man von Aasgeiern und sonstigen roheren Exemplaren der Spezies ab, gehören Vögel zu den possierlichsten Tieren überhaupt. Doch welche Abgründe des Liebeskummers tun sich in so mancher Vogelseele auf! Die
Liebe eines schwarzen Schwans zu einem Tretboot in der Form eines weißen Artgenossen: ein wundervolles Sinnbild der Harmonie zwischen den Rassen, allein – sie wird ewig unerwidert bleiben. Ebenso tragisch: die
Leidenschaft eines englischen Pfaus für eine Zapfsäule. Zu profan ist die Erklärung mit dem klackenden Geräusch der Angebeteten ("Das klingt genauso wie eine Pfauhenne, die ihm zuschreit 'Nimm mich, ich bin bereit'"), zeigt sich doch in den Brüdern des Vogels die gleiche Sehnsucht nach dem Unerreichbaren: "Der eine bemüht sich um eine Katze, der andere versucht mit einer Gartenlaterne anzubändeln".
Die Herzensangelegenheiten von Vögeln gehen dem Menschen nicht zuletzt deswegen so nahe, weil sie mit allerlei Geräusch verbunden sind. Die Frankfurter Rundschau (FR 20.06.2006:33) hält den Zeitplan der morgendlichen "Vogeluhr" fest: Anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang beginnt der Gartenrotschwanz noch recht diskret mit seinem "zarten, leisen Solo", zehn Minuten später das Rotkehlchen. Nach weiteren fünf Minuten setzt die Amsel mit ihrer "kraftvollen Melodie" ein, gefolgt vom Zaunkönig: "Dessen unglaublich lautes Organ – umgekehrt proportional zu seinem kleinen Körper – bringt eine dynamische, durchdringende Arie hervor". Der "Morgengruß" der Kohlmeise erklingt zwanzig Minuten später, der Buchfink (fünf Uhr) und der Haussperling (5.20 Uhr) runden die Geräuschkulisse ab. Zusammengefaßt: Noch bevor die Sonne aufgeht, ist draußen die Hölle los. Die Nachtigall ist sogar in der Lage, bis zu 22 Stunden "sanft zu flöten, heiter zu jubeln und schmelzend zu schluchzen". Es kümmert dieses Tier wenig, daß der Mensch während mindestens sechs dieser 22 Stunden gerne schlafen würde. Die Liebe geht vor.
Zwei- bis dreimal täglich stellt sich auf meinem Dach ein besonders lautes Vögelchen ein; immer wieder aufs Neue unfaßbar, welchen Krach ein so kleines, gelbes Wesen hervorbringen kann. Im Laufe einer Sitzung auf der Antenne dreht es sich mehrmals, um alle Himmelsrichtungen mit der gleichen Sorgfalt zu beschallen, dann fliegt es weiter zum nächsten Baum. Seine Unermüdlichkeit dauert mich, denn bisher scheint der Erfolg auszubleiben; alleine kehrt es jeden Tag wieder. Aussehen wie Geräusch, gleichermaßen exotisch, deuten auf einen ausgerissenen Fremdling hin. Gut möglich, daß es trotz aller Bemühungen für immer zur Einsamkeit verdammt ist, weil es in der Nähe keinen Artgenossen gibt.
Dieses Schicksal steht auch vielen seiner Freunde bevor: Zwölf Prozent der bekannten Vogelarten sind bis zum Ende des Jahrhunderts akut von der Ausrottung bedroht, weitere zwölf Prozent gefährdet (
wissenschaft.de).
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08.07.2006, 03:34 • Link • Kommentieren