Hurra, das Rauchverbot in der Gastronomie kommt doch! "Bravo, es geht doch", freut sich die Rundschau (24.02.2007:3). Um den Nichtraucherschutz geht es dabei schon lange nicht mehr, es geht gegen die Raucher. Oder warum maßt sich der Staat sonst an, öffentlichen (und demnächst privaten) Bediensteten das Rauchen in ihren eigenen Büros zu verbieten? Der SPIEGEL (7/2007:9) weiß mal wieder mehr: "Es könnte, wenn Vernunft die Grundlage der Politik wäre, recht einfach sein: Rauchen bringt in Deutschland jährlich rund 130.000 Rauchern den Tod, ein konsequentes Nichtrauchergesetz (sic) würde die Zahl der Tabakopfer reduzieren". Warum beschleicht mich der Verdacht, daß es ausschließlich Nichtraucher sind, die solche Sätze formulieren? Warum nur habe ich das Gefühl, daß die nicht enden wollende Anti-Raucher-Kampagne vor allem die hierzulande so beliebte Haltung des Auf-dem-Sofa-Sitzens-und-Übelnehmens institutionalisieren will? Witzig ist es, daß zur Zeit in den deutschen Feuilletons eine
Debatte um die Toleranz geführt wird: Keine Toleranz der Intoleranz von Fundamentalisten! Gemeint sind islamische Fundamentalisten. Nicht gemeint sind Nichtraucher.
Es ist ja auch so schön, anderen Leuten etwas zu verbieten, was man selber gar nicht machen will, das befreit. Auch frustrierte Politiker, die wegen dem ganzen Globalisierungskram und so zunehmend handlungsunfähig werden. So ein nettes kleines Verbot zwischenrein kommt da immer gut. Vordergründig geht es natürlich um hohe Werte: die Volksgesundheit, ein Dauerbrenner seit 1933, und natürlich der Schutz der armen, unschuldigen Kinder. Um junge Menschen vor den schlimmen "Killerspielen" zu schützen, würde Beckstein sie am liebsten auch gleich den Erwachsenen verbieten, sicherheitshalber. Schön für die große Koalition, daß solches Denken volksparteienübergreifend funktioniert: Die Bundesdrogenbeauftragte Bätzing läßt schon mal prüfen, "ob und wie es möglich ist, Rauchen beim Autofahren zu verbieten". Klar wäre das ein Eingriff in die Privatsphäre, "aber wir müssen uns ernsthaft fragen, ob Verkehrssicherheit und Gesundheitsschutz nicht höher zu bewerten sind" (FR 19.02.2007:4). Die Privatsphäre ist heutzutage sowieso nicht mehr allzuviel wert, wie die Herren Schäuble und Schily gerne bestätigen können. Und ist privates Kiffen vielleicht erlaubt? Eben! Naturlich läßt Bätzing es sich nicht nehmen, nochmal eigens darauf hinzuweisen, wie verantwortungslos jemand handelt, der mit Kindern im Auto sitzt und raucht. Die gute Frau ist zwar nochmal zurückgepfiffen worden, aber ihre Argumente haben schon etwas für sich. Tja, die Kinder ...
Schade, daß die Autolobby so stark ist, sonst müßte man das Autofahren auch gleich verbieten. Wenn nur Vernunft die Grundlage der Politik wäre! Schließlich werden jedes Jahr ganz viele Kinder totgefahren, und andere Leute auch. Und die Autoabgase (stark konzentriert vor allem in Kleinkindhöhe) sind auch nicht gerade volksgesundheitsfördernd. Überhaupt – dient Autofahren nicht nur dem Zweck, woanders hinzukommen? Dabei lauern die schlimmsten Gefahren für Leib und Leben vor der Haustür! Rausgehen ist insgesamt ungesund, gerade für Kinder. Was kann da nur alles passieren! Also: Vernunft zur Grundlage der Politik machen und das Verlassen der Wohnung verbieten. Gesundheitsschutz geht vor! Und weil es drinnen auch nicht ganz ungefährlich ist, sollte man die Leute am besten auf ihren Betten festschnallen und mit schadstoffarmen Breichen füttern. Dann endlich wäre die Welt vollständig kindgerecht, dann lohnte es sich zu leben. Das sind wir den kommenden Generationen doch schuldig.
Neu! Jetzt noch unausgewogener! Der geneigte Leser findet eine erweiterte Fassung
hier. Irgendwie habe ich den Eindruck, daß einige den Abdruck in der
taz schon kennen.
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24.02.2007, 13:07 • Link • 11 Kommentare