Ich habe recht früh lesen gelernt; im Rückblick hätte ich's vielleicht lieber bleiben lassen sollen. Denn seit ungefähr dreißig Jahren habe ich die allergrößte Mühe, nicht jeden Scheiß zu lesen, der an meinen Augen vorbeikommt. Davon profitieren unter anderem Chrismon, das Magazin für weichgespültes Christentum, der "Gaisberg-Rundblick" und diverse Anzeigenblättchen, ich selber leider weniger. Am meisten Pein verursachen mir dabei eindeutig Packungsaufschriften. Der Genuß von "Oliva Anchovy" von "Feinkost Dittmann" war jedenfalls ziemlich im Eimer, als ich dies hier entdecken mußte:
Diese neue Gourmet-Kreation wird Sie begeistern! Ausgesuchte Oliven werden entsteint, mit zarter Sardellencreme gefüllt und liebevoll mit einer Olivenhaube verschlossen. Durch die ausgewählten, verschiedenen Geschmacksrichtungen, passen Sie zu jedem Anlass.
Liebevoll verschlossen? Leute, bitte! Und was ist mit dem letzten Satz los? Ich passe zu jedem Anlaß? Und die Kommas? Heißt Globalisierung jetzt, daß man auch so schreiben muß, als käme das Produkt aus Taiwan? Das muß doch irgendjemand aufgefallen sein! So dachte ich zumindest einen Moment lang, bevor mir die erschütternde Wahrheit klar wurde: Nein, es ist niemandem aufgefallen. Und warum nicht? Ganz einfach – weil niemand außer mir Packungsaufschriften liest! Nicht einmal der Hersteller! Und das kommt so:
Im Untergeschoß größerer Betriebe gibt es ein kleines Kellerverlies, in dem zusammengepfercht und angekettet inmitten von Dunkelheit und Fäulnis der Aussatz des Produktionsprozesses dahinvegetiert: die Packungsaufschriftenschreiber, Leute, bei denen es nicht einmal für die Werbebranche gereicht hat; einmal pro Monat werden sie notdürftig mit dem Gartenschlauch abgespritzt, den Rest der Zeit hocken sie in ihrem eigenen Unrat und denken sich Texte wie diesen aus:
Feinste Schweizer Schokolade. Nestlé Die Weisse macht es vor! Entdecken Sie das cremige Geheimnis weisser Schokolade, die jeden Geniesser zum Schmelzen bringt. Und nun stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Gipfel in den Schweizer Alpen, die Sonne scheint und Sie lassen Nestlé Die Weisse auf Ihrer Zunge zergehen. So lecker und cremig kann weisse Schokolade sein.
Der Müll, der dabei herauskommt, ist nicht nur so unbeschreiblich, so abgrundtief blöde, sondern auch noch behaftet mit dem Miasma des Verderbens aus den Pfuhlen der Packungsaufschriftenschreiber, daß niemand außer dem Setzer es über sich bringen würde, auch nur einen Blick darauf zu werfen; selbst den Setzer schüttelt es vor Ekel, wenn er diesen Schund auf die Packung bringen muß, und er überträgt nur ganz wenige Worte auf einmal. (Daher auch die häufig fehlenden Bindestriche, das sogenannte
Deppenleerzeichen.)
Der Konsument weigert sich sowieso, sich vorschreiben zu lassen, was er sich beim Schokoladeessen vorstellen soll, oder er kann nicht lesen, in jedem Fall bleibt die Packungsaufschrift unbeachtet. Anders ist nicht zu erklären, warum beispielsweise auf dem Schwarzwälder Kirschwasser der "Peterhaus Brennerei" ungefragt mitgeteilt wird: "Das Tragen der Bollenhut Tracht und das Brennen von edlen Bränden sind beliebte Repräsentanten dieser Region" oder warum der Pfefferminzsirup der Firma Darbo zur "Wellness Oase zwischendurch für alle, die sich Zeit für Entspannung nehmen und vital bleiben wollen" mutiert. Es ist auch besser so, daß niemand die Abgründe der menschlichen Unkultur, die Packungsaufschriften sind, zur Kenntnis nimmt, denn sie verursachen Krätze, Fehlgeburten und schwere seelische Beschwerden. Es war ein großer Fehler von mir, jemals damit angefangen zu haben; ich werde dafür in der Hölle schmoren. Mir bleibt nur noch, euch arglose Leser zu beschwören: Macht nicht denselben Fehler! Lest niemals – niemals! – Packungsaufschriften! Und lest vor allem nicht diesen Blogeintrag!
Abgelegt unter: Schmerzen
08.01.2007, 22:54 • Link • 3 Kommentare