"Haben Sie gefunden, was Sie suchen?", fragt mich Amazon.de sehr aufmerksam. Nein, habe ich nicht, ich suche nämlich immer noch meine verschlampte "Reflections of Bach"-CD von Jacques Loussier. Amazon konnte mir wenigstens sagen, was eigentlich für Stücke auf der CD wären, läßt es dabei aber leider nicht bewenden, sondern gibt mir am Ende der Seite noch einen "gesponserten Link" mit auf den Weg: Das Palmolive Erlebnis – Entfliehen Sie mit Palmolive dem Hier und Jetzt – Momente der Ruhe. Wie kommt Amazon von der Suche nach "Reflections Bach" auf Seife? Gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen klassischer Musik und Hygiene, der sich nur Marketingfachleuten erschließt?
Vor vielen Jahren gab es eine Fernsehwerbung für den "Weißen Riesen", in der Aufnahmen einer unglaublich langen Wäscheleine mit der
Morgenstimmung aus Griegs Peer-Gynt-Suite untermalt wurden. Seit dieser Zeit kann ich das Stück nicht mehr hören, ohne an Waschmittel zu denken. Genau das ist einer der vielen Gründe, warum ich (
wie mehrfach erwähnt) Werbung so hasse – mal ganz abgesehen von der Verstümmelung der Sprache durch Marketinglyrik und
Deppenleerzeichen:
Palmolive Erlebnis – wieviel blöder geht es noch?
Der Effekt, daß der Konsument ein wunderschönes Stück klassischer Musik bis an sein Lebensende mit einem Waschmittel assoziiert, ist ja kein Kollateralschaden des Marketings, sondern exakt das, worauf moderne Werbemethoden abzielen. Und es ist nicht nur die Musik. Was auch immer benutzt werden kann, um irgendwelchen Schwachsinn zu verkaufen, wird benutzt, ganz egal, auf welchem kulturellen Erbe man gerade herumtrampelt. Oder erinnert sich noch irgendwer an den ursprünglichen Sinn von Weihnachten? Ein bemerkenswerter Tiefpunkt war erreicht, als Martin Luther Kings "I have a dream" seinerzeit für die aggressive Kampagne des Mobilfunkanbieters
Quam herhalten mußte. Quam ist mit Pauken und Trompeten untergegangen. Die Einstellung ist geblieben. Was auch immer die Leute hören, was auch immer sie sagen, was auch immer sie denken – es muß gefälligst mit Produkten zu tun haben.
Und wie weit geht Amazon? Dieser Frage bin ich mit dem
Godwin-Test nachgegangen. Der Suchbegriff "Holocaust" ergibt neben tausenden Artikelempfehlungen tatsächlich auch einen gesponserten Link, immerhin von Arte. Nur bei "Hitler" – keine Werbung? Vermutlich nur eine Frage der Zeit. An Anstand will ich nicht so recht glauben.