bislang habe ich bei jeder Bundes- und Landtagswahl die LINKE gewählt, ohne groß nachzudenken. Es gab und gibt keine andere Partei, die meinen politischen Vorstellungen so gut entspricht wie Ihre. Umso bedauerlicher finde ich es, daß die LINKE angesichts der Grenzöffnung 2015 flüchtlingspolitische Vorstellungen vertritt, die ich im Großen und Ganzen – verkürzt gesagt – etwas naiv finde. Dennoch wollte ich auch bei der anstehenden Bundestagswahl meine Stimme der LINKEN geben, wenn auch erstmals mit leichtem Zähneknirschen. Das hat sich in den letzten Tagen geändert.
Letzte Woche sind acht
Afghanen abgeschoben worden, die allesamt laut dem Bundesinnenminister wegen erheblicher Straftaten verurteilt worden sind. Nur sieben davon saßen zum Zeitpunkt der Abschiebung in Haft. Zu ihren Straftaten gehören nach Auskunft der Innenministerien von NRW und Bayern räuberischer Diebstahl und gefährliche Körperverletzung, drei der acht Abgeschobenen sind Vergewaltiger, einer davon wurde wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt.
Sie
kommentieren dies wie folgt: "Sympathieträger sind Vergewaltiger und Gewaltkriminelle sicherlich nicht. Doch auch für Straftäter gilt der Rechtsstaat. Mit der jetzigen Sammelabschiebung nach Afghanistan hofft die Regierung wohl kurz vor der Bundestagswahl, bei AfD-Sympathisanten Eindruck zu schinden. Wer aber Leben und Gesundheit von Geflüchteten durch Abschiebungen in den Krieg für ein schamloses Wahlkampfmanöver aufs Spiel setzt, hat jeden Respekt vor den Menschenrechten verloren". Ferner
schreiben Sie: "Ich begrüße die angekündigten Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppen und hoffe, dass die Abschiebung in den Krieg verhindert werden kann".
Ich nicht. Ich bin froh, daß wenigstens diese acht Männer wieder in ihrem Heimatland leben und nicht mehr in meiner Nähe, nicht mehr in der Nähe meiner Familie oder meiner Freundin. Ich denke, ein Großteil der Bevölkerung dieses Landes dürfte das ähnlich sehen. Dabei schließe ich die hier lebenden Migranten und Flüchtlinge ausdrücklich mit ein, die besorgt sind, durch Männer wie diese acht Afghanen insgesamt als Gruppe diskreditiert zu werden, und von denen aller Wahrscheinlichkeit nach einige selbst Opfer der acht Straftäter geworden sind. Alle diese Menschen in die Nähe von "AfD-Sympathisanten" zu rücken, halte ich für eine Unverschämtheit.
Natürlich sind Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete hochproblematisch. Gleichzeitig höre ich nach jedem Terroranschlag, ich solle mich nicht so haben; die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, sei doch ausgesprochen gering und andere absurde Wahrscheinlichkeiten seien doch viel höher. Vielleicht sind Sie mit Leuten befreundet, die so denken, oder gehören selbst dazu. Vielleicht hilft eine solche statistische Betrachtungsweise auch bei der Beurteilung der Gefahrensituation in Afghanistan weiter. (Boris Palmer hat sich damit allerdings keine Freunde gemacht.) Dem sicheren Tod werden die acht Straftäter jedenfalls nicht ausgesetzt – ansonsten wären auch nicht 4100 Afghanen seit Januar 2016 freiwillig in die Heimat zurückgereist –, sondern einem erhöhtem Risiko. Wären aber die acht Straftäter hiergeblieben, gälte nach ihrer Haftentlassung ein erhöhtes Risiko für die Menschen in ihrer Umgebung: Einheimische, Migranten, Flüchtlinge. Manchmal muß man sich entscheiden. Sie entscheiden sich für drei Vergewaltiger und fünf weitere Straftäter.
Ihre Sorge im konkreten Fall gilt zuallererst "Leben und Gesundheit" der acht Straftäter. Ich darf daran erinnern, daß diese acht Männer Leben und Gesundheit ihrer Mitmenschen massiv beeinträchtigt haben. Ohne Not, vielleicht aus einer Laune heraus. Sicher, Sie haben völlig recht, wenn Sie schreiben: "Doch auch für Straftäter gilt der Rechtsstaat". Aber es ist genau dieser Rechtsstaat, der in solchen Fällen die Abschiebung vorsieht. Oder sind Sie der Meinung, daß damit rechtsstaatliche Regeln gebrochen werden? Dann tun Sie etwas! Setzen Sie eine Verfassungsklage in Gang!
Ihre Reaktion auf die Abschiebung der acht Straftäter ist exemplarisch für das Problem, das ich mit der Flüchtlingspolitik der LINKEN habe. Es ist richtig und wichtig, großzügig Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, aus Solidarität, aus Mitmenschlichkeit, aus Verantwortungsbewußtsein. Gleichzeitig muß Ihnen klar sein, daß die restliche Bevölkerung damit teils massiven Belastungen ausgesetzt wird – durch Straftaten, durch Terroranschläge, durch finanzielle Einschränkungen. Ist es das wert? Sie sagen: Ja, selbstverständlich. Ich sage: Es kommt auf den konkreten Einzelfall an. Ich kann keinen ausreichenden Grund dafür sehen, zusätzlich zu den vielen Geflüchteten, denen wir Hilfe und Solidarität schulden, jeden Kriminellen, dem in seinem Heimatland keine Verfolgung droht, und jeden Vergewaltiger im Land halten zu wollen, koste es, was es wolle. Sie stellen ein abstraktes Ideal über das Wohlergehen der Menschen, für die Sie eintreten sollten, und nicht zuletzt auch über die Interessen der übergroßen Mehrzahl der Flüchtlinge, für die Sie einzutreten glauben.
Aus diesem Grund wird aller Voraussicht nach meine Stimme bei der nächsten Wahl an die "PARTEI" gehen, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun sollte. Aber noch haben Sie Zeit. Überzeugen Sie mich!
Mit solidarischen Grüßen
David Fischer-Kerli
Abgelegt unter: Agitprop
20.09.2017, 14:51 • Link • Kommentieren