Wir erinnern uns: Das OVG Greifswald hält den Eingriff in die Demonstrationsfreiheit durch Verbot des Sternmarsches auf Heiligendamm für rechtens, da die ausländischen Staatsgäste eine Demo als "unfreundlichen Akt" empfinden und sich in ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl gestört fühlen könnten (
taz 05.06.2007:VI). In Greifswald mag man es gewohnt sein, daß es sich nicht schickt, Vertreter sozialistischer Bruderländer unfreundlich zu empfangen. Daß allerdings das Bundesverfassungsgericht trotz verfassungsrechtlicher Bedenken auch den letzten Eilantrag in Sachen G8 ablehnt (
Pressemitteilung) und damit den ganzen vermutlich rechtswidrigen Verbotssums weiterlaufen läßt, stimmt
nachdenklich, und noch nachdenklicher, daß auch hier – Überraschung! – Sicherheitserwägungen den Ausschlag gegeben haben.
Wenn du – sagen wir mal – ein Konzertveranstalter wärst, würdest du verkünden: "Liebe Leute, ihr dürft eure Halbliter-Wasserflaschen aus Plastik nicht mit reinnehmen, damit wir euch drinnen überteuerte Getränke verkaufen können" – oder vielleicht doch lieber: "Liebe Leute, ihr dürft eure Halbliter-Wasserflaschen aus Plastik aus Sicherheitsgründen nicht mit reinnehmen"? Wenn du – sagen wir mal – eine Versammlungsbehörde wärst, würdest du verkünden: "Liebe Leute, ihr dürft hier am Zaun und noch einige Kilometer weiter euer Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht wahrnehmen, weil das echt beschissene Bilder in den Medien geben würde und euch auch noch die Gipfelteilnehmer hören könnten" – oder vielleicht doch lieber: "Liebe Leute, ihr dürft hier am Zaun und noch einige Kilometer weiter aus Sicherheitsgründen euer Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht wahrnehmen"?
Sicherheit
zieht immer. Einschränkung von Grundrechten, Telekommunikationsüberwachung und
Vorratsdatenspeicherung, Geruchsproben von Dissidenten, Fingerabdrücke der gesamten Bevölkerung – all das und noch viel mehr schulden wir der Sicherheit. Wäre so ein knackiger kleiner Polizeistaat keine Option? Der Sicherheit zuliebe? Kann man ja auch ganz langsam schrittweise durchziehen? Vielleicht hilft ab und zu mal ein Blick ins
Grundgesetz:
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Die Frage ist nur: Wer sagt einem, wenn es soweit ist?
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06.06.2007, 20:42 • Link • Kommentieren