Mit dem Entwurf für das neue Verbraucherinformationsgesetz "zeigt die große Koalition, auf welcher Seite sie steht" (
taz 05.09.06): "Gerade weil die Industrie den Pranger fürchtet, erfanden die Gesetzgeber das Betriebsgeheimnis. VerbraucherInnen dürfen alles erfahren – außer dem Betriebsgeheimnis": beispielsweise, wo das verdorbene Fleisch gelandet ist. Das erinnert mich an eine Geschichte vor ein paar Wochen im SPIEGEL, in der es um die Weigerung der zuständigen Landesbehörde ging, Informationen über die Belastung von Wasser (verwendet unter anderem für Babynahrung) herauszurücken – alleine zum Schutz der abfüllenden Firma, ohne daß die Rechtslage dieses Vorgehen erfordert hätte. Die Behörde fühlte sich nicht der Gesundheit der Bürger des Landes verpflichtet, in deren Auftrag sie operiert, sie fühlte sich einem bestimmten Wirtschaftsunternehmens verpflichtet. Auf welcher Seite stand diese Behörde? Nicht auf deiner. Nicht auf meiner.
Nehmen wir einmal an, hierbei handele es sich um eine grundsätzliche Regel: Politik und Verwaltung schützen nicht die Interessen der Bürger, sie schützen die Interessen von Firmen. Plötzlich sind all die Rätsel, die sich dem interessierten Zeitungsleser täglich stellen, gelöst: Warum werden immer noch Steuersenkungen für Unternehmen als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit propagiert, obwohl sich ein Zusammenhang von Steuersenkungen und Beschäftigungssteigerung empirisch nicht nachweisen läßt? Warum muß alles auf Teufel komm raus liberalisiert werden, auch wenn sich für den einzelnen nur Verschlechterungen daraus ergeben? Warum ist der abstrakte Standort so viel wichtiger als das Wohlergehen der konkreten Standortbewohner? – Ach so.
Zu vereinfachend gedacht? Erkenntnistheoretisch befindet man sich in guter Gesellschaft, wählt man die einfachste von mehreren unterschiedlichen Erklärungen für ein Phänomen, solange keine Widersprüche auftreten. Tag für Tag warte ich darauf, endlich einen saftigen Widerspruch zu dieser Regel zu hören, aber es kommt keiner. Oh, Moment; doch, da ist einer: Wir leben ja in einer
Demokratie, also kann das alles gar nicht sein. Wie konnte ich das nur vergessen?