Frankfurter Rundschau: Die CDU hat die Suche nach diesen Antworten unter das Motto gestellt: Mehr Gerechtigkeit durch mehr Freiheit. Merkel hat sich dazu erneut bekannt.
Heiner Geißler: Die Überschrift ist falsch. Wir bekommen keine Gerechtigkeit durch mehr Freiheit. Freiheit haben wir genügend – die Freiheit der großen Konzerne, Riesengewinne zu machen und Zehntausende von Menschen auf die Straße zu setzen. Was wir dringend brauchen, ist mehr Verantwortung bei allen, die Macht und Einfluss haben. (FR 22.08.2006:4)
Heute wieder heldenhaft den Standort gesichert, unter anderem durch den selbstlosen Kauf eines Sechserpacks Penny-Cola und mehrerer Industriewürstchen der Marke "Landfreund". Schließlich obliegt letztlich dem gemeinen Endverbraucher die Aufgabe, den Shareholder zu füttern, auf daß es ihm wohlergehe. Vielleicht liegt hier auch der Schlüssel zu dem ökonomischen Mysterium, daß die Öffnung von Märkten am Ende dazu führt, daß alles teurer wird; demnächst live mitzuerleben beim Börsengang der Bahn (FR 31.08.2006:2). Aber Wettbewerb muß sein, genau wie Standortsicherung immer sein muß. Bloß nicht nachfragen, warum! Sonst kommt raus, wie wenig sich hinter all den hohlen Floskeln verbirgt. Die Chancen auf eine ehrliche Antwort sind ohnehin gering.
Redlichkeit in den sozialen Beziehungen braucht man als Konsument erst gar nicht zu suchen; der Betrachter von Fernsehwerbung und so mancher Kunde eines Telekommunikationsunternehmens – beispielsweise – wird ein Lied davon singen können. Wie gut, daß wenigstens Anstrengungen unternommen werden, die Moral auf der Verbraucherseite zu stärken, wenn überall die Versuchungen des digitalen Zeitalters locken. Beim Lesen der Drohungen im Vorspann jeder DVD fällt einem wieder ein, wozu das Recht ursprünglich erfunden worden ist. Man darf sicher sein, daß der heraufziehende hochtechnisierte Polizeistaat Gesetz und Ordnung in dieser Hinsicht ganz besonders verteidigen wird. Sind nicht auch
Raubkopierer Terroristen? Irgendwie?
So viel ist schon mal klar: Die Freiheit, von der so viel die Rede ist, ist nicht die Freiheit des Bürgers vor staatlicher Überwachung. Wozu auch – wir haben ja alle nichts zu verbergen. Und wir können auch bald nichts mehr verbergen. Ein Dissident zu sein, so wie der Geißler, wird dann natürlich ein bißchen schwierig. Ist aber auch unnötig – es ist ja alles so wunderbar.
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31.08.2006, 22:27 • Link • Kommentieren