In der schwedischen Serie "Gösta" um einen krankhaft netten Kinder- und Jugendpsychologen gibt es folgenden bemerkenswerten Dialog:
gemobbter Junge: Manche sagen auch, daß ich stinke oder scheiße aussehe oder daß meine Mutter häßlich ist.
Gösta: Und wie fühlst du dich dann, wenn die sowas sagen?
gemobbter Junge: Spielt das etwa 'ne Rolle?
Gösta: Was meinst du?
gemobbter Junge: Es gehört sich einfach nicht, das zu sagen. Selbst wenn ich das toll finden würde: Es gehört sich nicht, das zu sagen.
Das bringt den Gegensatz zwischen dem Universalismus der Aufklärung und dem neulinken identitätspolitischen Partikularismus auf den Punkt. Bewerte ich eine Äußerung anhand von allgemeinen, rational begründbaren Regeln als unzulässig, oder ist mein Kriterium subjektives Beleidigtsein? Lehne ich Rassismus ab, weil die Menschheit nach langen, dunklen Jahrhunderten erkannt hat, daß die Vorstellung, die einen seien den anderen qua Geburt überlegen, menschenverachtender Unfug ist, der in einer zivilisierten Gesellschaft nichts verloren hat, oder deswegen, weil sich jemand davon verletzt fühlen könnte?
Dies ist passiert: Matthias Matuschik mag keinen K-Pop. Sein Fehler: Er
schimpft im Radio darüber; eine einschlägige Band sei wie "irgendein Scheißvirus, wogegen es hoffentlich bald ebenfalls eine Impfung gibt", und: "Dann geben diese kleinen Pisser auch noch damit an, dass sie von Coldplay 'Fix You' gecovert haben. Wo ich sage: 'Das ist Gotteslästerung!' Das sage ich als Atheist. Das ist Frevel. Dafür werdet ihr in Nordkorea Urlaub machen für die nächsten 20 Jahre". Vor Twitter wäre das ein unterhaltsamer Rant gewesen, heute ist es
#Rassismus, und dagegen müssen die
schärfsten Geschütze aufgefahren werden: "Derzeit nehmen in den USA rassistische Gewalttaten gegenüber asiatischstämmigen Amerikanern zu. Der Buchautor und Journalist David Yi mahnte bei Twitter: Rhetorik wie die Matuschiks führe zu gewalttätigen Angriffen gegen asiatischstämmige Menschen".
"Kommt mal runter" kann man auf dieser Eskalationsstufe natürlich nicht mehr bringen, und so
wählt der Sender den Weg des geringsten Widerstands: "Wir entschuldigen uns in aller Form für die Äußerungen von Moderator Matthias Matuschik in seiner Livesendung. Es ist nicht akzeptabel, mit welchen Worten er sich über die Band BTS geäußert hat. Und sowohl er selbst als auch wir von BAYERN 3 wissen, dass es nicht ausreicht, wenn man Dinge eigentlich anders gemeint hat. Wenn Aussagen von vielen Menschen als beleidigend oder rassistisch empfunden werden, dann waren sie es auch."
Das Traurigste an der ganzen Angelegenheit: Wir haben gerade mehrere Wochen hinter uns, in denen täglich daran erinnert wurde, was Rassismus tatsächlich alles anrichten kann. Die Opfer von Hanau können sich nicht mehr verletzt fühlen, sie sind nämlich tot. Und jetzt kommen irgendwelche Twitter-Pisser und spielen Rassismus als billigste aller Empörungskarten aus, weil jemand ihre Idole im Radio beleidigt hat. K-Pop hassen, Leute erschießen – alles dasselbe. Es ist zum Kotzen.
Abgelegt unter: Agitprop, Schöne neue Welt
27.02.2021, 22:23 • Link • Kommentieren