Madeleine Albright verlangt viel vom neuen US-Präsidenten: Die Welt soll er retten und Amerika sowieso, entnimmt man ihrem offenen Brief an Obama, und nicht zuletzt muß er "jene traditionellen Werte, für die Amerika von jeher international respektiert wird, wieder stärken: Optimismus, Ausdauer, Gerechtigkeit und die Sehnsucht nach Frieden" (FR 21.01.2009:2). Vielleicht ist der internationale Respekt ein kleines bißchen geringer im Irak, in Vietnam, Kambodscha, Guatemala, Nicaragua, Chile und
all den anderen Ländern, die in den letzten sechzig Jahren Bekanntschaft mit Amerikas Sehnsucht nach Frieden und Amerikas Gerechtigkeitssinn schließen durften, aber davon sagt Albright nichts. Ich bekomme kurz Angst bei dem Gedanken, daß die politische Klasse der USA ihr verlogenes salbungsvolles Geschwafel selber glaubt, aber Albrights Brief rückt das zum Glück gleich wieder gerade: "Ihre Botschaft an die Welt sollte sein, dass die USA willens sind, zuzuhören und zu lernen, wenngleich sie nicht zu handeln zögern, wenn es notwendig ist". Und das ist es eigentlich immer, wie Albright aus ihrer Zeit als Außenministerin sicher noch weiß. Notwendig war es zum Beispiel 1998, eine
sudanesische Arzneimittelfabrik zu zerstören, um das Ansehen des angeschlagenen Präsidenten wieder aufzupolieren. Geschätzte zehntausende Tote in der Folge waren dafür sicher kein zu hoher Preis. Es waren ja keine Amerikaner, genausowenig wie die mindestens halbe Million irakischer Kinder, die um die Jahrtausendwende an den Folgen der von den USA durchgedrückten Sanktionen starben und deren Schicksal Albright mit den Worten
kommentierte: "This is a very hard choice, but we think the price is worth it". Was den Frieden betrifft, bleibt es im Zweifel eben doch bei der Sehnsucht.