Normalerweise hätte ich mich sehr gewundert über die Entscheidung der ARD, von den parallel laufenden Spielen der Gruppe G keineswegs das Spiel des Gruppenersten Schweiz gegen den Gruppenzweiten zu übertragen, sondern dasjenige der beiden Gruppenloser, deren einer (Togo) sogar bereits ausgeschieden war. Da ich aber in den vorangegangenen Tagen sowieso vom Pech verfolgt worden war, nahm ich das eher gleichmütig als weitere unbegreifliche Entscheidung eines rätselhaften Schicksals hin und suchte ein irisches Pub auf, um die Schweiz wenigstens in einem kleinen Nebenzimmer spielen zu sehen, in angstvoller Erwartung weiteren Ungemachs, das der Abend dem Schweizer Team und mir bescheren mochte.
Insofern kam der Gemeinschaftsgefühls-GAU, der uns in dem Separée zunächst erwartete, nicht wirklich überraschend: Renate und ich sahen uns einem halben Dutzend US-Amerikaner beiderlei Geschlechts gegenüber, die aus okkulten Gründen Südkorea unterstützen, und zwar sehr, sehr lautstark. ("I don't know what's happening, but – YES!" schrie eine der Damen – gleich zwei Vorurteile auf einmal bedienend – nach einer Abseitsentscheidung mit einem Organ, das
Pflänzli in Sekundenbruchteilen zum Welken gebracht hätte, wäre es dabeigewesen.) Hätte ich mich in meinem Blog und Leben differenzierter und verständnisvoller zur amerikanischen Politik und Kultur äußern sollen? War das die Rache?
Aber nein: Innerhalb kurzer Zeit drängten so viele Schweizer und Sympathisanten in den Raum, wie er nur zu fassen vermochte, die Korea-Anhänger in die hoffnungslose Minderzahl verweisend, Renate zauberte eine eigens als Überraschung erworbene Schweizer Flagge zum Ersatz meiner eigenen, im Wohnungschaos verlorenen hervor, und alles, wie die Fußballgeschichte weiß, wurde gut. Sollte meine Pechsträhne damit zu Ende gegangen sein? Eben gerade hat sich die Lehne meines Ikea-Schreibtischstuhls nach langen Jahren aufopferungsvoller Tätigkeit von mir verabschiedet. Es bleibt also spannend.