Man muß kein
Liberaler und schon gar kein FDP-Wähler sein, um Freiheit für etwas Feines zu halten. Daß die eigene Freiheit dort endet, wo die des Nächsten eingeschränkt wird, dürfte ebenfalls allgemein akzeptiert sein, wenn man von gewissen Supermächten absieht. Die Freiheitsrhetorik endet allerdings immer dann jäh, wenn es um die Freiheit geht, das eigene Leben zu beenden – obwohl hier niemand anders zu Schaden kommt. Hier muß ein psychischer Defekt vorliegen, Ende der Debatte. Daß man gerade hierzulande in Fragen der Sterbehilfe und verwandter Probleme schnell mit Totschlagargumenten gegen das Totschlagen bei der Hand ist, mag historische Gründe haben. Dabei könnte man aus der Geschichte auch lernen, daß die psychiatrische Definition individuellen Wollens und individueller Weltsicht zunächst einmal mit großer Vorsicht zu genießen ist, weil sie sich auch vortrefflich als Unterdrückungsinstrument eignet. Nicht nur in totalitären Staaten.
Stark befremdet hat mich in diesem Zusammenhang ein
Kommentar (FR 10.05.2006:3) der im allgemeinen grundvernünftigen Frankfurter Rundschau zum jüngsten Urteil im Rotenburger "Kannibalen"-Fall, der es begrüßt, daß nun endlich das "Unwerturteil gegen einen Mann, der sein Opfer mordete, um es zu verspeisen", nachgeliefert wurde. Unwerturteil – was für ein schönes Wort. Wir erinnern uns: Die Tötung erfolgte in vollem Einverständnis. Das spielt aber offenbar keine Rolle, war doch das Opfer "ebenso abartig wie sein Mörder". Hätte man das nicht auch mit weniger Schaum vor dem Mund formulieren können? Oder hätte man sich dann zu weit von dem entfernt, was "nach allgemeiner sittlicher Wertung völlig klar erscheint"? Fragt man die breite Masse nach ihrer allgemeinen sittlichen Wertung, wird man feststellen, daß bereits Schwule und Lesben ausgesprochen "abartig" sind. Völlig klar. Und für Kinderschänder müßte die Todesstrafe wieder eingeführt werden.
Schade, daß ausgerechnet die Rundschau wieder einmal die Richtigkeit des Slogans "taz muß sein" beweist. Dort darf nämlich der großartige Jony Eisenberg schreiben, der ein ums andere Mal mein eigenes sittliches Empfinden ein bißchen streichelt.
Wie auch heute: "Die Chance auf den selbst herbeigeführten Tod unterscheidet den Menschen vom Affen. Aber nicht in Deutschland: Hier kann man nicht nach seiner Fasson selig werden, jedenfalls nicht, wenn man den Blümchensex-Richtern in Karlsruhe und Frankfurt in die Hände fällt. Sich schlachten und fressen zu lassen jedenfalls ist und bleibt verboten, bei Strafe einer lebenslangen Haft für den Erlöser." Amen.